Über “Weißt-Du-nochs” und “Schnell-nochs” und was das für mich mit Reportagen in der Familienfotografie zu tun hat.
Neulich las ich in einem Artikel über Zeitempfinden, dass sich die Schrittgeschwindigkeit der Passanten in Industrieländern im letzten Jahrzehnt um zehn Prozent erhöht hat.
Sofort spürte ich in mir die Hektik, die meine Familie und mich über so viele Jahre begleitet hat. Erst jetzt, da unsere drei Kinder groß sind, werde ich ruhiger. Und ich frage mich: muss das so sein?
Mir fällt ein Seminar zum Thema Zeitmanagement ein, das ich vor vielen Jahren besuchte. Wir sollten zeichnen, was uns zum Thema Zeit einfällt. Bei mir war ein Strichmännchen zu sehen. Es war ein rennendes: Ich.
Der ganze Alltag, der über uns bestimmt, uns durch die Gegend treibt, uns nicht innehalten lässt. Diese Tage, die wir mit einem lapidaren “Geschafft” abtun: Ich hatte damals viele davon.
Mein Leben als rennendes Strichmännchen war bestimmt von “Schnell nochs”: Schnell die Kinder fertig machen, bevor wir schnell in den Kindergarten rennen und ich weiter zur Arbeit. Am späten Nachmittag schnell die Kinder abholen und noch auf einen Spielplatz gehen, vor einem schnellen Einkauf im Supermarkt. Später schnell eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen, vor einem schnellen Kochen für einen Freundeabend.
Wenn ich heute darüber nachdenke, weiß ich, dass natürlich nicht der Alltag mich trieb, sondern ich mich selber mit all den Dingen, die ich meinte in 24 Stunden unterbringen zu müssen. So viele “Schnell-nochs”, statt mit meinen Kindern bewußte “Weißt-Du-nochs” zu zaubern.
Kommt das jemandem bekannt vor?
Zeitanhalten und einfach sein.
Im Rückblick spüre ich noch immer die Hektik dieser Jahre und wünschte, ich hätte mir öfter mal ein Durchatmen und Genießen des Augenblicks erlaubt.
Ich weiß aber auch, wieviel Liebe da war für meine Kinder und wieviele besondere Momente wir auch und gerade im Alltag hatten (und haben). All die kleinen Rituale, die uns gehörten. Unser Kaffee- und Milchtrinken am Morgen: Ich auf dem Boden sitzend mit zwei an Fläschchen nuckelnden Kindern auf dem Schoß, ein paar Minuten Zärtlichkeit. Unsere Ausflüge in den Park zum Entenfüttern. Unsere Radtouren durch Sommerfelder zum Wasserspielplatz. Unser abendliches Vorlesen und Kuscheln. All das Trösten und Trocknen von Tränen. Und auch all das Ausprobieren verschiedener Sportarten.
Viele “normale” gemeinsame Erlebnisse, die wir in dem Moment, in dem sie stattfinden, nicht wertschätzen, werden eben erst im Rückblick zu “Weißt-Du-nochs”. Gäbe es doch nur Fotos!
Jeder Fotograf bringt seine Geschichte mit, wenn er in ein Shooting geht.
Meine ist (unter anderem) die der kleinen Momente, die nicht wiederkommen. Deshalb suche ich, wenn ich Euch fotografisch begleite, besonders nach den Alltäglichkeiten, von denen ich glaube, dass sie später Eure “Weißt-Du-nochs” werden können.
Euch Eure kleinen Momente festzuhalten, damit Ihr Euch für immer daran erinnern könnt und Euren Kindern und auch Enkeln später einmal zeigen könnt, wie wertvoll diese Zeit war: das macht mich ganz glücklich.
Viele wertvolle Familien-Momente mit Zeit zum Innehalten an diesem Wochenende wünsche ich Euch,
Eure Kathrin